Zwischen Kamor und Kronberg
Interview mit Michael Koller, Inhaber der Agentur koller.team
Der Kanton Appenzell Innerrhoden ist bekannt für seinen Alpenbitter, die Bärli-Biber, den geheimnisvollen Käse, Flauder, eine umtriebige Brauerei sowie zahlreiche Insta-Hotspots. Aber eine über die Kantonsgrenzen hinaus erfolgreiche Kommunikationsagentur mit fast 40-jähriger Geschichte würde kaum jemand vermuten, irgendwo zwischen Kamor und Kronberg, im Schatten des Alpsteins.
Michi, erzähle uns etwas über die Anfangszeiten der Agentur koller.team
Die Agentur wurde 1989, damals als Koller Satz, von meinem Vater Emil Koller in unserem Elternhaus gegründet. Die Kunden mussten durch unser Treppenhaus an meinem Kinderzimmer vorbei ins Büro über der Garage. Kurz nach der Gründung erfolgte eine strategische Neuausrichtung und Koller Satz wurde zur Koller Werbung. Man bildete sich um und weiter, Grafiker wurden eingestellt und der Standort ins Dorf Appenzell verlegt. Bereits ab Mitte der Neunzigerjahre wurden die ersten Websites programmiert.
Wie verlief dein Weg in die Kommunikationsbranche?
Nach einer Lehre als Mediamatiker mit anschliessender BMS und einigen Wanderjahren, landete ich, 24-jährig, als Leiter Marketing und Verkauf bei der Urnäscher Milchspezialitäten AG. Wir konnten dort eine nigelnagelneue Käserei mit neuer Marke und ohne jegliche Vertriebskanäle von Grund auf aufbauen. Wir hatten kein Geld und ich musste vieles selbst machen. Dabei lernte ich das Marketing-Handwerk von der Pike auf und aus hauteigenen Erfahrungen.
Warum hast du die Agentur deines Vaters anfangs 2018 übernommen?
Ich wollte immer selbständig werden. Da ich mich sehr für Marketing, Kommunikation und technische Entwicklungen interessiere, war es naheliegend, zu Hause einzusteigen. Vieles lief schon gut, und doch habe ich noch viel Potential erkannt. Ich konnte auf ein Super-Team und eine treue Kundschaft zählen. Es hat einfach vieles gepasst.
Hat dein Vater sich mittlerweile zurückgezogen oder gibt er euch weiterhin ganz wichtige Tipps?
Mein Vater wäre eigentlich noch als Freelancer angestellt. Seinem Naturell entsprechend hat er aber bereits wieder so viele Mandate, dass ich froh bin, wenn er mal zu einem Kafi vorbeikommt. Er lässt mich machen, ist aber durchaus erreichbar, wenn ich ihn brauche.
Wie baut ihr Kontakte zu neuen Kunden auf?
Ich bin stark vernetzt, engagiere mich als Präsident des Kantonalen Gewerbeverbandes, bin Mitglied des Innerrhoder Grossen Rates und übernehme auch sonst die eine oder andere öffentliche Aufgabe. Das braucht zwar viel Zeit, dafür ergeben sich viele neue, spannende Kontakte.
Dann bist du an vielen Fronten gleichzeitig engagiert. Kommt dabei die Agentur nicht zu kurz?
Das kann schon mal passieren. Es zwingt mich aber, die Agentur gut zu organisieren und die Mitarbeitenden machen zu lassen. Es läuft vieles ohne mich. Oft sogar besser, als wenn ich dabei wäre.
Ist Eigenwerbung für euch ein Thema oder reichen Empfehlungen?
Wir pflegen den über Jahre aufgebauten Kundenstamm sehr intensiv, machen immer noch aufwändige Postmailings und klassisches Newsletter-Marketing. Weiter bieten wir Seminare, Kurse und Workshops zu aktuellen Themen an. Selbstverständlich sind wir auch auf Social Media aktiv. Gerade via LinkedIn gewinnen wir immer wieder neue Kunden.
Wie gewinnt ihr Mitarbeitende, die sowohl die benötigten Skills mitbringen als auch ins Team passen? Die Auswahl innerhalb des Kantons dürfte überschaubar sein.
Entweder bilden wir selbst aus oder es läuft über persönliche Kontakte. Ganz «normal», via Stellenausschreibung, kamen die wenigsten. In jüngster Zeit bekommen wir dank unserer Bekanntheit in der Branche immer öfter auch Blindwerbungen. Von denen habe ich die eine und den anderen Kandidaten einfach mal eingestellt. Ich glaube, wenn jemand bei uns wirklich etwas bewegen will und das auch kann, finde ich schon Arbeit für sie oder ihn.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten haben eure Mitarbeitenden?
Vieles machen wir intern. Mindestens einmal im Monat wird von einer Person ein aktuelles Thema aus ihrem Fachbereich aufgearbeitet und präsentiert. Dafür besuchen sie selber Kurse oder Webinare. Viele bilden sich auch in CAS oder weiterführenden Schulen weiter und wir bilden Interactive Media Designer aus.
Wie steht es um die Fluktuation, wie viele Jahre bleiben Mitarbeitende durchschnittlich im Team?
Wir sind stolz, auf sehr langjährige Mitarbeitende zählen zu dürfen, welche zehn, zwanzig, ja sogar dreissig Jahre hier arbeiten. Da wir die Anzahl der Mitarbeitenden in den letzten Jahren verdoppeln konnten, sind auch viele neue Gesichter dabei. Ich bin unendlich dankbar, dass ich auf so treue Mitarbeitende zählen darf. Das verschafft nicht nur nach innen Kontinuität, sondern auch Vertrauen gegenüber unserer Kundschaft.
Ist Home-Office bei euch ein Thema, obwohl die Arbeitswege innerhalb des Kantons eigentlich sehr kurz sind?
Wir haben auch Mitarbeitende, die nicht im Kanton wohnen. Für diese ist Home-Office eine gute Sache. Ich bin da offen und es ist stark vom Typ Mensch und von der Tätigkeit abhängig, ob das funktioniert. Grundsätzlich habe ich die Leute aber schon gerne hier vor Ort. Wir brauchen uns gegenseitig, gerade in kreativen Prozessen. Vieles läuft informell und die Führung wird einfacher, wenn alle hier sind.
Traut ihr KI oder hält ihr lieber an Bekanntem fest?
Wir setzen sehr stark auf KI, trauen ihr aber kein bisschen. Dank KI sind wir effizienter und wir können mit Kursen auch neue Geschäftsfelder erschliessen. Wichtig beim ganzen Thema ist aber, dass man die Resultate sehr kritisch bewertet. Dann sind diese Tools eine mächtige Unterstützung.
Habt ihr ernsthafte Mitbewerber?
In Appenzell gibt es so drei bis vier Agenturen und Ateliers, mit denen wir uns schon ab und zu mal einen Kunden streitig machen. Der Markt ist sicher umkämpfter geworden, als noch vor einigen Jahren. Wir orientieren uns daher immer mehr auch überregional, über unser Stammgebiet hinaus. Dort sind die Konkurrenten dann eher aus St. Gallen oder von noch weiter her.
Ihr habt eine Zweigniederlassung in Herisau, im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Wie kommt ein Innerrhoder auf diese Idee?
Ich habe sechs Jahre in Ausserrhoden gearbeitet und viele tolle Leute kennengelernt. Aufträge haben diese aber nicht wahnsinnig gerne nach Innerrhoden vergeben. Als dann der einzige grössere Mitbewerber in Herisau aufgehört hat, haben wir mit unserer langjährigen Mitarbeiterin, Andrea Mathis, den Schritt gewagt und dort eine Zweigniederlassung eröffnet. Und das funktioniert tatsächlich. Dies aber vor allem auch, weil Andrea in Herisau wohnt, sich vor Ort engagiert und sehr präsent ist. Ein Briefkasten würde nicht reichen.
Was tut ein bodenständiger Werber, Politiker und Vater von zwei schulpflichtigen Kindern in seiner Freizeit – falls überhaupt welche übrig bleibt?
Ich bin aktiver Fasnächtler und versuche mich als Jodler und Chor-Dirigent in diversen Formationen. Aber nicht ganz so intensiv, wie ich das gerne möchte. Alles geht leider nicht, und manchmal bin ich auch einfach gerne zu Hause.
Frühere Publikationen
Agenturen auf dem Prüfstand
Interview im «Persönlich» Ausgabe September 2025 mit Roger Wermelinger
Zwischen Algorithmus und Emotion: Warum echte Kreativität nicht digitalisiert werden kann.
Beitrag im «Persönlich» Ausgabe April 2025 von Andy Ruf
Die Zukunft gehört der Vernetzung
Interview im «Persönlich» Ausgabe Juni 2024 mit Fachwerk Advertising